Mitsuyo Maeda wurde am 18. November 1878 in der Stadt Aomori im Norden der japanischen Insel Honshu, eine für ihre kalten Winter bekannte Region, geboren. Die Präfektur war gegen Ende des 19. Jahrhunderts von Armut geprägt und viele Menschen zogen nach Tokio, um der Kälte und Armut zu entkommen. Maeda lebte bis zum Jahr 1886 an seinem Geburtsort, bis er in die japanische Hauptstadt zog und eine traditionelle Schule der örtlichen Elite besuchte. Als Jugendlicher trainierte Maeda zunächst fasziniert unter seinem Vater Sumo, weshalb er viele Raufereien gegen seine Mitschüler gewann und als Sumo-Kind bekannt wurde. Später stellte er allerdings fest, dass seine Statur nicht ideal zu dieser Kampfkunst passte. Im Jahr 1894 schickten Maeda’s Eltern ihn zum Studieren an ein erstklassiges Lehrinstitut, der heutigen Waseda-Universität. Hier kam er zum ersten Mal mit den klassischen Techniken des Jiu Jitsus in Kontakt, welche an der Universität unterrichtet wurden.
Durch die wachsende Beliebtheit und Dominanz des Kodokan Judos wurde Maeda auf den von Jigoro Kano unterrichteten Kampfstil aufmerksam. Die Kampfkunst kombinierte effektive Techniken alter Jiu Jitsu Traditionen. Maeda begann im besten Kampfsportzentrum Japans direkt unter dem Meister zu trainieren. Dieser hatte während seiner Kampfkunstausbildung gelernt, Techniken aus verschiedenen alten Stilen des Jiu Jitsus zu modifizieren, in eine Kampfkunst zu integrieren und somit den Grundstein des heutigen Judos zu schaffen. Zu Beginn wurde der von Jigoro Kano gelehrte Kampfstil jedoch als ein Zweig des Jiu Jitsu und nicht als eine eigene Kampfkunst angesehen.
Mitsuyo Maeda war einer der ersten Schüler Kanos und etablierte sich schnell zu einem der besten Repräsentanten der Kodokan-Schule. Während der Anfangszeit des Judos wurden jeden Monat in der Schule von Jigoro Kano Wettkämpfe abgehalten, um die Effektivität und Überlegenheit seiner Kampfkunst zu beweisen. Maeda nahm selbst an diesen Veranstaltungen teil und trainierte hart dafür. Am 25. Dezember im Jahr 1898 schaffte Maeda es in einer erstaunlichen Vorstellung als Weissgurt ohne Mühen fünf Gegner zu besiegen, weshalb er direkt nach dem Wettkampf den violettfarbenen Gürtel von seinem Meister erhielt. Am selben Tag schaffte er es weitere Gegner zu bezwingen.
Durch seine Disziplin entwickelte sich Maeda zu einem hervorragenden Wettkämpfer, der sich zügig den schwarzen Gürtel verdiente. Mit einer Grösse von 1,64 Metern sowie einem Gewicht von 64 Kilogramm war seine Statur durchschnittlich und nicht besonders imposant. Er galt jedoch als ungewöhnlich guter Kampfkünstler, der die Techniken nicht nur vorführen konnte, sondern deren Effektivität in einer echten Situation der Selbstverteidigung oder eines Kampfes immer wieder unter Beweis stellte. Maeda schreckte vor keiner Herausforderung zurück und liess sich auch des Öfteren von Leuten auf der Strasse herausfordern, die er meist schnell besiegte. Durch sein zielstrebiges Training entwickelte sich Maeda als Judoka weiter und wurde schliesslich im Jahr 1901 zum Judo-Meister der Universitäten Gakushuin und Waseda in Tokio befördert.
In den folgenden Jahren bekam Maeda, als einer der besten Schüler, zusammen mit einigen weiteren Kämpfern Jigoro Kanos die Aufgabe erteilt, die Kampfkunst weiterzuverbreiten. Er reiste ab 1904 zusammen mit seinem zugeteilten Meister Tsunejiro Tomita um die ganze Welt und nahm an Veranstaltungen in Arenen und Zirkussen statt, um die Kampfkunst sowie deren Effektivität vor Publikum zu präsentieren. Ähnlich wie Maeda hatte Tomita keine besonders imposante Erscheinung, was die Effektivität des Jiu Jitsus und Judos bei den Vorführungen verdeutlichte. Maeda besuchte auf seiner Reise unter anderem die Vereinigten Staaten, Spanien, England und Brasilien. In den USA war der damalige Präsident Theodore Roosevelt ein grosser Fan der japanischen Kultur und bereits ein begeisterter Jiu Jitsu Schüler der alten Tradition unter dem Meister Yamashita. Vor allem bei Militärangehörigen war die ältere Form des Jiu Jitsu bekannt. Maeda besuchte daher einige Militärausbildungsstätten, um das Judo und seine Effektivität zu demonstrieren. Aufgabegriffe waren damals schon Teil des Bodenkampfes, wodurch er zahlreiche gute Ringer am Boden besiegen konnte. Zudem begann Maeda eine Tradition bekannte Boxweltmeister öffentlich herauszufordern, welche später von den Gracies fortgeführt wurde.
Maeda nahm an zahlreichen Preiskämpfen teil. Oftmals stand ihm ein körperlich überlegener Gegner einer anderen Disziplin, insbesondere dem Ringen oder dem Boxen gegenüber. Sein Kampfstil war aussergewöhnlich, er brachte den Kampf meist direkt auf den Boden und dominierte dort seine Gegner. Insgesamt soll Maeda mehrere hundert Kämpfe bestritten haben, von denen er die meisten gewinnen konnte. Zusammen mit Satake Soshihiro leistete Maeda einen äusserst grossen Beitrag dazu, die Kampfkunst des Judos weltweit und vor allem in Brasilien zu verbreiten.
Auf seiner Reise nach Brasilien in den Jahren 1914/15 besuchte Maeda zunächst die Städte Belém und das im Norden gelegene Manaus. Einige Zeit später entschied er sich in Brasilien zu leben, liess sich einbürgern und änderte seinen Namen zu Otávio Maeda. Zudem unterstützte er ein Projekt der Regierung, eine Kolonie japanischer Auswanderer im Norden Brasiliens zu gründen. Auf diesem Wege lernte er einen lokalen Politiker namens Gastao Gracie kennen, mit welchem er eine freundschaftliche Beziehung aufbaute. Gastao war der Vater von Carlos, Hélio und weiteren Gracies, die eine entscheidende Rolle in der Gründung und Entwicklung des Brazilian Jiu Jitsu spielten.
Gastao bat Maeda seinen ältesten Sohn im Jiu Jitsu zu unterrichten. Maeda nahm Carlos daraufhin unter seine Fittiche und brachte dem zuvor unruhigen Teenager die Techniken und Philosophie der Kampfkunst bei. Neben Disziplin lernte Carlos die unterschiedlichen Phasen eines Kampfes von Schlagtechniken im Stand und Würfen bis zum Bodenkampf kennen. Carlos unterrichtete später seine Brüder in Jiu Jitsu und entwickelte die gelernten Techniken sowie Trainingsformen im Laufe der Zeit mit ihnen zusammen weiter, wodurch ihr eigener Stil entstand. Das Gracie Jiu Jitsu legte dabei grossen Fokus auf den Aspekt der Selbstverteidigung, einige Jahrzehnte später entstand schliesslich der Sport des BJJ.
Die Techniken wurden so angepasst, dass unabhängig von der Statur des Schülers der körperlich Unterlegene deutlich stärkere Gegner regelmässig durch Technik und ohne grosse Mühen besiegen konnte. In den Anfängen der Ultimate Fighting Championship hat sich der Kampfstil Brazilian Jiu Jitsu, welcher durch Royce Gracie, einen Sohn Hélios repräsentiert wurde, als besonders effektiv im direkten Vergleich mit anderen Kampfstilen vor grossem Publikum bewiesen.
Die Ursprünge und die Geschichte von Jiu Jitsu und Judo lassen sich in Brasilien hauptsächlich auf Maeda zurückführen. Ausser Gracie unterrichtete Maeda auch weitere Schüler wie Luis Franca, die später eigene Schulen eröffneten und die Kampfkünste des Jiu Jitsu und Judo verbreiteten. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es eine Einwanderungswelle von Japanern nach Brasilien, weshalb sich auch andere japanische Jiu Jitsu-Meister in Brasilien ansiedelten und ihre Form des Jiu Jitsu unterrichteten. Bekannte Namen von Lehrmeistern neben Maeda waren Takeo Iano, der im Norden Brasiliens eine Kampfkunstschule eröffnete und Kazuo Yoshida, der sich in Bahia eine Schule aufbaute.
Im Jahr 1921 eröffnete Maeda seine erste offizielle Akademie in Belém, welche sich im dortigen Ruderclub befand. Er unterrichtete zu dieser Zeit Techniken, die vorwiegend auf die Selbstverteidigung ausgelegt waren. Die Kampfkunstschule bildete einige erfolgreiche Kämpfer in der Region aus und wurde nach Maedas Zeit an zwei seiner besten Schüler, Sebastião Oli und Nakasan, weitergegeben.
Am 28. November 1941 verstarb Maeda im Alter von 63 Jahren und wurde auf dem Friedhof Santa Isabel in Belém beigesetzt. Nach seinem Tod wurde ihm als Anerkennung seiner Arbeit mit der Verbreitung der Techniken und Philosophien des Judos und Jiu Jitsus als Pioniersportler durch das Kodokan Institut in Japan der 7. Dan verliehen.
Maeda hinterliess eine grosse Gemeinschaft aus japanischen Einwanderern und brasilianischen Freunden, die sich für die Kampfkunst begeisterten und sein Werk in Brasilien und der Welt weiterführten. Er prägte während seiner Zeit das Leben vieler Menschen und spielte eine entscheidende Rolle in der Entstehung des Judo und Brazilian Jiu Jitsu. Dank Pionieren wie Maeda sind die Kampfstile heute auf der ganzen Welt bekannt und beliebt.