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Wer hat Brazilian Jiu Jitsu (BJJ) erfunden?
26.10.2022
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Ursprünge in Japan

Zu den Anfängen der Kampfkunst Brazilian Jiu Jitsu gibt es unterschiedliche Geschichten, die nicht eindeutig belegt werden können. Ein chinesischer Priester soll die erste Form des Jiu-Jitsus nach Japan gebracht haben. Das ursprüngliche Jiu-Jitsu galt als Produkt menschlicher Bewegung, es beginnt mit Instinkten und lehrt den Körper zur Selbstverteidigung einzusetzen. Grossmeister Kanō Jigorō ist einer der ersten Personen, die das Kodokan Judo in Japan unterrichtete. Er ist für einige der anfänglichen sowie spezifischen Trainingsmethoden des Judos und Jiu-Jitsus verantwortlich. Das Training wurde auf Jungen und Jugendliche im Alter zwischen 10 und 20 Jahren zugeschnitten. Es war Teil des Erziehungsprogramms in Schulen und sollte den Kindern bzw. Jugendlichen wichtige Werte, wie die Stärkung des Charakters oder Selbstbewusstsein, vermitteln und die Selbstverteidigung lehren. Die Grundtechniken, die der Grossmeister seinen Schülern beibrachte, wurden vor ihm schon unterrichtet. Kanō Jigorō passte diese für seine Schüler an und zeigte neue Varianten. Die chinesische Philosophie der Nachgiebigkeit war in Japan zu dieser Zeit sehr bekannt. Techniken der Verteidigung sollten dieses Prinzip umsetzen, da das Dominieren mit reiner Kraft nicht besonders effektiv ist. Das Konzept der Nachgiebigkeit hat bis heute einen Einfluss auf den Sport des brasilianischen Jiu-Jitsus. Die Idee hinter dem Konzept ist, die Kraft des Gegners gegen ihn zu nutzen und bei der Verteidigung selbst wenig Kraft anzuwenden. Das Wort Jiu-Jitsu bedeutet wörtlich flexible, sanfte Kunst oder Technik.

Grundsätzlich ist es schwer zu definieren, wer die Techniken und Trainingsmethoden in der Vergangenheit zuerst gezeigt hat. Viele Bewegungen der Kampfkunst sind instinktiv und zum Teil in der ursprünglichen Form des Ringens wiederzufinden. Das Ringen hat in vielen Kulturen seine Wurzeln und es ist schwer belegbare Aussagen, zu der Herkunft der Techniken zu machen. Der Ringerstil Japans ist Jiu-Jitsu, eine Kampfkunst, bei der ein Angreifer zu Boden gerungen und dort kampfunfähig gemacht wird. Der Stil wird in einem Kimono trainiert, der als Werkzeug gilt, den Gegner zu überwältigen.

Ursprünge in Europa

In Europa und speziell in England ist Gunji Koizumi einer der ersten Judoka und Jiu-Jitsu Lehrer gewesen. Er ist der Gründer des Budokwai und hatte für eine lange Zeit die grösste Schule ausserhalb Japans. Koizumi behauptete, dass es Aufzeichnungen gibt, die Beweise für die ersten Ausübungen von Jiu-Jitsu Techniken liefern. Zu den Herkunftsländern seiner Techniken nannte er Orte wie Ägypten, Deutschland und Persien. Die Techniken sollen auf verschiedenen Kontinenten der Welt bereits früher praktiziert worden sein.

Ursprünge in Brasilien

Mitsuyo Maeda brachte die Kampfkunst des Judos und Jiu-Jitsus nach Brasilien. Er trainierte zunächst Carlos und anschliessend weitere Mitglieder der Familie Gracie. Hélio Gracie entwickelte zusammen mit seinem Bruder Carlos die Techniken weiter. Sie hatten das Ziel, das Training effektiver zu machen. Die beiden spielten unterschiedliche Rollen in der Evolution der Kampfkunst. Carlos war der Mentor und Visionär, wohingegen Hélio mehr Zeit auf der Matte mit dem Feinschliff der Techniken verbrachte. Die Vision war, die Kampfkunst „praktikabler“ für Erwachsene zu machen. Als Jiu-Jitsu Techniken in den westlichen Ländern ankamen, musste das Training für Frauen und Männer so angepasst werden (zum Bsp. bei Würfen und Falltechniken), dass sich die Schüler nicht so leicht verletzten. Am Anfang wurde hauptsächlich Kanō Jigorōs Methodik genutzt, die für Kinder besser geeignet war. Die Anpassung erfolgte zum Teil auch von japanischen Lehrern, die Gracie Brüder haben jedoch diese auf ein nächstes Level gebracht. Die Techniken wurden von Hélio verbessert und sein Bruder unterstütze ihn dabei. Sie entwickelten nicht nur Techniken, sondern auch einen kompletten Lebensstil um die Kampfkunst herum, dazu gehörten eine gesunde Ernährung, eine positive Mentalität und die Vermittlung sozialer Werte

Gracie Jiu Jitsu

Die Gracie Brüder eröffneten am 07.09.1930, dem brasilianischen Unabhängigkeitstag, ihre erste offizielle Akademie. In der 30er-Jahren unterrichteten sie sehr erfolgreich in ihrer Schule und schafften es bedeutende Leute für ihre Version des Jiu-Jitsus zu begeistern und diese zu trainieren. Das Training erfolgte in Gruppen und Privatklassen. Hélio und Carlos entwickelten (mithilfe weiterer unbekannter Personen) eine neue Methodik und einen umfassenden Lehrplan für das Training. Der Lehrplan bestand aus 36 Unterrichtsinhalten (Einheiten) zur Selbstverteidigung. Das Trainingsprogramm wurde bereits in den 30er-Jahren unterrichtet, hierfür gibt es Belege in Form von Zeitungsanzeigen, die über das Training informierten. Bis heute hat das ursprüngliche Gracie Trainingsprogramm Einfluss auf moderne Lehrpläne der Selbstverteidigung. Nachfahren der Gracie Familie und weiterer Jiu-Jitsu Familien haben zahlreiche neue Lehrpläne entwickelt, die zum Teil noch von Grossmeister Hélio vor seinem Tod abgesegnet wurden. Hierzu zählen zum Beispiel die Gracie University Combatives oder das Programm der Valente Brüder. Da Hélio Gracie so viel mehr Zeit auf der Matte mit dem Training verbracht hatte, war er instrumental für den Feinschliff des Programmes. Hélio hat von 1930 bis zu seinem Tod die Techniken und sein Trainingsprogramm mithilfe seiner Schüler verbessert und daran gearbeitet.

In den 40er-Jahren stagnierte das Training etwas, Carlos zog in eine andere Stadt (Ceará) und Hélio heiratete. Daraufhin unterrichteten sie nur noch im Wohnzimmer. Carlos besuchte Familien in ihren Häusern, um ihnen Techniken beizubringen und die Kampfkunst bekannt zu machen. Anschliessend übernahm Hélio diese Rolle. Sie boten eine Mischung aus Privatklassen mit einer Einführung in das Jiu-Jitsu an und intensiveres Training mit Vorbereitung auf professionelle Kämpfe. Carlos Gracie fungierte als Promoter für Kämpfe und sah darin, die beste Chance, seine Kampfkunst bekannter zu machen. Nachdem Carlos in die Heimat zurückgezogen war, hatte er zwei Kämpfe gegen Caribé und Azevedo Maia. Im Jahr 1951 kämpft er gegen Kato und Kimura und 1952 eröffnete er schliesslich eine grosse Jiu-Jitsu Schule mit seinem Bruder. Eine grossartige Synergie und die Einheit der Brüder ermöglichten den Erfolg ihrer Version des Jiu-Jitsus. Ihr System vermittelte effektive Methoden des Trainings zur Selbstverteidigung und einen gesunden Lebensstil.

Der Sport Brazilian Jiu Jitsu

Ein Sport wird allgemein durch Regeln festgelegt und definiert. In den 1960er-Jahren entstand der Sport des BJJ als Hélio Gracie (Präsident des Verbandes) und Carlos Gracie (Vorsitzender) einen Sportverband mit Unterstützung von Grossmeister Francisco Mansor, João Alberto Barreto und Hélcio Leal Binda gründeten. Die Brüder haben viele Aspekte des Sports geändert, sie waren zum Beispiel lange gegen ein Punktesystem in Wettkämpfen. Ihrer Auffassung nach sollte ein Kampf nur durch Aufgabe des Gegners enden und sonst als Unentschieden gewertet werden. Das Gürtelsystem änderte sich ebenfalls, Hélio Gracie war gegen ein Einführen mehrerer Gürtelfarben. Weiterhin war Hélio gegen den sportlichen Fokus der Kampfkunst und wie sich das Ziel des Sports sowie das Training dadurch veränderten. Der Selbstverteidigungsaspekt und die Philosophie gingen über die Jahre hinweg etwas verloren. Das Sport Jiu-Jitsu wurde zum Fokus des Verbandes, deshalb trat Hélio aus dem Verband später aus. Mit der Gründung des Verbandes entwickelte sich Jiu-Jitsu zu einem geregelten Sport, der aus unterschiedlichen Motiven heute praktiziert wird. Jiu-Jitsu wird weiterhin zur Selbstverteidigung als Hobby oder als Wettkampfsport trainiert. Die Techniken ähneln sich, nur das Ziel und die Absichten unterscheiden sich. Die Austragung von Wettkämpfen in BJJ begann in den 60er und 70er-Jahren. Kultur und Stil des Brazilian Jiu Jitsu änderten sich über die Jahre hinweg bedingt durch die Evolution des Sports und Einflüsse vieler beteiligter Menschen. Hierzu zählen unter anderem Carlos und Hélio Gracie, Carlson, Carlos Gracie Jr. und viele weitere Personen. Systematische Veränderung der Techniken, Trainingsformen, durch den noch jungen Sport, finden ständig statt. Somit findet vermehrt eine Schere zwischen Brazilian Jiu Jitsu als effektives sowie komplettes Selbstverteidigungssystem und BJJ als reiner Kampfsportart statt.