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Jiu Jitsu – Ursprung und Entstehung
26.07.2022
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Die sanfte Kunst: Jiu Jitsu

Besonders in den letzten Jahren erfreut sich eine Kampfkunst immer grösserer Beliebtheit: Jiu Jitsu. Spätestens als Royce Gracie das Finale von UFC 1 als Vertreter des Jiu Jitsu gewann, war diese Kampfkunst aus dem noch jungen MMA kaum wegzudenken. Tatsächlich lassen sich die Ursprünge des Jiu Jitsu schon deutlich weiter zurückverfolgen.

Ein genaues Ursprungsdatum, oder -land lässt sich dabei jedoch nur schwerlich festlegen. Erste Aufzeichnungen finden sich schon im antiken Babylonien, in denen Männer miteinander gerungen haben. Weitere Quellen lassen verschiedene Ursprünge aus China, Persien, oder gar Ägypten vermuten.

Erste Anfänge in Japan

Erste konkretere Hinweise tauchen dann erst im feudalen Japan auf. So setzt sich bereits der Name „Ju Jutsu“ aus den Kanji-Zeichen für „Ju“ (sanft, weich) und „Jutsu“ (Kunst, Fähigkeit) zusammen und lässt sich, durchaus passend, mit der „sanften Kunst“ übersetzen. Passend, da es durchaus eines der Grundprinzipien des Jiu Jitsu ist, nachzugeben und die eigene Kraft des Opponenten gegen ihn selbst einzusetzen.

Zu Zeiten Japans des 7. Bis 11. Jahrhunderts, der sogenannten Heian-Periode gehörte es zum Standard-Repertoire eines jeden Kriegers Techniken der waffenlosen Selbstverteidigung zu beherrschen. So dürfte es auch kaum verwundern, dass es die Samurai waren, die massgeblich an der Entwicklung der Kampfkunst beteiligt waren, die uns heute als Jiu Jitsu bekannt ist. Sie waren es auch, die die philosophischen Ursprünge des Buddhismus und Taoismus in diese Art der Selbstverteidigung einfliessen lassen haben. Eines dieser Prinzipien ist der eingangs erwähnte Triumph der Nachgiebigkeit über die Starrsinnigkeit. Eine Anekdote Japans vergleicht hierzu die schneebedeckten Äste eines Baumes: Während die dicken, starken, starren Äste dem Gewicht des Schnees erliegen und schliesslich brechen, biegen sich die dünneren Äste so lange, bis der Schnee von ihnen abgleitet und sie sich unbeschadet wieder aufrichten.

Da Japan vom 8. Bis 16. Jahrhundert stark von Bürgerkriegen gezeichnet war, bestand hier eine grosse Nachfrage nach Techniken zur Selbstverteidigung, gleichzeitig konnten diese auch in der Praxis angewandt, erprobt, weiterentwickelt und verworfen werden. Mehr ist jedoch über den Verbleib des Jiu Jitsu während dieser Epoche wenig bekannt. Naturgemäss hielten viele Lehrer ihre Techniken unter Verschluss, damit der Feind sich nicht darauf einstellen konnte.

Mit Erreichen der Edo-Periode stellten sich im Japan des 16. Jahrhunderts friedlichere Zeiten ein. Unter der Herrschaft des Tokugawa-Shogunats erlebte Japan bis 1867 eine länger als 250 Jahre andauernde Zeit des Friedens. Trotz dieses Friedens galt die Devise „In Frieden leben und dem Krieg gedenken“ und verschiedene Kampfkünste, darunter auch Jiu Jitsu, verbreiteten sich im ganzen Land. Die Traditionen der Samurai geboten es ihnen, verschiedene Techniken der Selbstverteidigung zu erlernen und dieses Wissen zu vertiefen.

In den 1860er-Jahren erlebte das Land jedoch, unter der sogenannten Meiji-Restauration, einen Umbruch infolgedessen das feudal-militärische Regierungssystem und mit ihm den sozialen Stand der Samurai, abschaffte.

Das japanische Volk war schlussendlich desillusioniert, auf die Traditionen der Kampfkünste und den „Bushido“, ein ethischer Handlungskodex der Kriegerkaste, wurde nunmehr verächtlich herabgesehen. Ohne diese Einflüsse erlagen viele Krieger, bis dahin meist die einzigen, die Jiu Jitsu trainieren, dem Glücksspiel und dem Alkohol.

Reformation und Wandel zum Judo

Ein Imagewandel der Kampfkunst wurde nötig. Dieser kam mit dem Intellektuellen Jigoro Kano (1860 – 1938), der die Techniken zum Kano Ju Jutsu und später zum Kodokan Judo weiterentwickelte. Da er jedoch keine neue Kampfkunst erdachte, entschied er sich, das negativ behaftete „Jutsu“ aus dem Namen zu streichen und stattdessen durch das japanische Wort für „Weg, Doktrin“ (Do) zu ersetzen. Zusätzlich zu einem strengen Moralkodex, der Wert auf Disziplin und gegenseitigem Respekt legt, besteht eine Trainingseinheit nach Kano aus technischen Training (Kata) und Randori (Sparring). Diese Praxis war so erfolgreich, dass sie innerhalb kurzer Zeit Einzug in die Ausbildung von Militär und Polizei, sowie ins öffentliche Schulsystem integriert wurden. In den 1920er-Jahren befürchtete Kano zunehmend eine Abkehr des von ihm etablierten Ehrenkodex hin zu einer Gewinnermentalität. Dabei sorgte er sich konkret um eine Verminderung der Effektivität seiner Kampfkunst. Um dem entgegen zu wirken, verlegte er verstärkt den Schwerpunkt des Judo von den Bodentechniken auf Wurf- und sogar Schlagtechniken. Die Zeit sollte Kano recht geben: Jahrzehnte später sollten Wettkampfregeln die tatsächliche Selbstverteidigungstauglichkeit stark eingeschränkt haben.

Der Einzug der Kampfkunst in den Westen

Gegen Ende des zweiten Weltkrieges erreichte Judo unter anderem auch die vereinigten Staaten. Zahlreiche G.I. waren im Verlauf des Krieges in Japan stationiert worden und kamen so in Berührung mit Judo. Nach Ende des Krieges brachten sie Judo mit in die USA, wo sich diese Kampfkunst schnell einer wachsenden Beliebtheit erfreute. Vom Geschäftsmann zur Hausfrau wollte schnell ein immer grösser werdendes Publikum Judo lernen. Judo- und Jiu-Jitsu-Experten bereisten die ganze Welt, traten dort erfolgreich gegen Boxer und Ringer an und demonstrierten eindrucksvoll, wie man selbst als körperlich unterlegener Kämpfer die Kraft seines Gegners effektiv gegen ihn selbst einsetzen und so siegreich aus einem Kampf hervorgehen kann.

Einfluss der Gracie-Familie

1914 erreichte mit Mitsuyo Maeda, einem ehemaligen Schüler Kanos, Jiu Jitsu auch den Südamerikanischen Kontinent. Nachdem er unter anderem in Europa, den USA, Kuba und Mexiko gekämpft hatte, liess er sich schliesslich in Brasilien nieder. Hier sollte er schliesslich auch Gastāo Gracie kennenlernen, ein örtlicher Geschäftsmann und Fight-Promoter. Dessen ältester Sohn Carlos war von Maedas Fähigkeiten derartig beeindruckt, dass er sich entschloss, in Maedas Schule zu trainieren, bis er 1922 nach Rio de Janeiro zog. Danach trainierte Carlos erst 1928 wieder, auf Anreiz eines Schülers Maedas, Donato Pires dos Reis, der auch seine eigene Akademie gründete. 1932 übernahmen die Gebrüder Gracie, namentlich Carlos, Oswaldo, Hélio und Gastāo, diese Akademie, nachdem Donato Rio de Janeiro verliess. Besonders Carlos war die treibende Kraft hinter dem Erfolg der Gracies und des Jiu Jitsus in Brasilien: Als eifriger Student und Geschäftsmann las er jedes erdenkliche Buch über Ernährung, Training u.Ä. das er finden konnte.

Neben ihrem Training zogen Carlos und Hélio weiterhin durchs Land und traten gegen vielerlei Kampfsportler an, um die Effektivität Jiu Jitsus zur Schau zu stellen. 1952 gründeten Carlos und Hélio zusammen eine moderne Akademie in Rio de Janeiro, in welchem später auch Carlson und Robson Gracie zu den ersten gehörten, die ein Professor-Diplom erhielten.

So wurden aus Carlos und Hélio letztendlich Pioniere des Jiu Jitsus, wie es uns heute bekannt ist. Ihre lebenslangen Bemühungen brachten nicht nur dem Namen Gracie, sondern auch dem Jiu Jitsu grosse Bekanntheit.