Gracie Jiu Jitsu ist ein vollumfassendes Selbstverteidigungssystem das, nebst zahlreichen Techniken im Steh- und Bodenkampf, einen besonderen Wert auf den philosophischen Aspekt legt. Die folgenden sieben Tugenden des Bushido-Codes nehmen dabei eine zentrale Rolle ein:
Das Ziel des Brazilian Jiu Jitsu besteht darin, Jiu Jitsu Schüler zu motivieren, den Moralkodex – insbesondere die sieben genannten Tugenden – dieser Kampfkunst zu kennen und umzusetzen. Schliesslich bringt es wenig, den Bushido-Code zu kennen, ohne ihn zu praktizieren. Denn ein Wissen, ohne eine praktische Umsetzung ist nahezu nutzlos.
Ein Moralkodex ist eine gute Basis, den Menschen nutzen, um Tugenden und Werte zu leben und weiterzugeben. Der Bushido-Code fungiert als erprobtes Werkzeug für ein friedliches Miteinander und für den eigenen Erfolg. Natürlich funktioniert auch alles ohne den Moralkodex, doch in der Kampfkunst des Gracie Jiu Jitsu dominiert die Auffassung, dass der Bushido-Code den Alltag der Menschen, die ihn praktizieren, vielfach erleichtert.
Und wie entwickeln Menschen einen Moralkodex? Dafür stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung: Die einen nutzen Religion, die einen verlassen sich auf ihr Studium und andere nutzen ihre eigenen Gründe, um einen Moralkodex zu entwickeln.
Als guter Anfang für die Entwicklung und Umsetzung des Bushido-Codes dient die goldene, altbekannte Regel: “Was du nicht willst, dass man dir tut, das füge auch keinem anderen zu. Es ist nicht gestattet, seine Mitmenschen zu verletzen – sich selbst genauso wenig. Als sinnvoller Beginn dient somit die Selbstliebe in Kombination mit der Nächstenliebe.
Wann genau beginnt jedoch die Entwicklung des Moralkompasses? Wann entwickeln Menschen einen Moralkodex, der dem Bushido-Code gleicht, selbst wenn sie weder Brazilian Jiu Jitsu noch Selbstverteidigung trainieren? Früh. Bereits im Kindesalter. Und wer hilft Kindern dabei, einen Moralkompass zu entwickeln? Ihr Umfeld bestehend aus Eltern, Lehrern, Trainern und Freunden. Schliesslich beeinflusst die gesamte Umgebung die Entscheidung, darüber, ob Kinder etwas als richtig oder falsch empfinden.
Darüber hinaus beinhaltet der Bushido Code die Gewohnheit der Exzellenz. Er verlangt von jedem Individuum, was auch immer sie machen, stets ihr Bestes zu geben. Weshalb plädiert Brazilian Jiu JItsu sowie jede Form der Selbstverteidigung für dieses Prinzip? Ganz einfach: Weil es richtig ist, stets sein Bestes zu geben. Eine wichtige Rolle im Moralkodex nimmt auch die Mässigung des Temperaments ein. Und laut Hélio Gracie ist es wichtig, die eigenen Prinzipien nicht zu mässigen, denn das ist eine Vorgehensweise einer weisen Person.
Hélio Gracie betrachtete Mut als Tugend Nummer eins. Denn Mut agiert ebenso als Treibstoff für Rechtschaffenheit. Zudem betont er, dass verschiedene Arten von Mut existieren: körperlich und nicht körperlich. Bei der ersten Form des Mutes setzen Individuen ihren Körper einem Risiko aus.
Bei nicht-körperlichem Mut hingegen setzen Menschen ihren Ruf oder ihre Finanzen aufs Spiel.
Das Jiu Jitsu erinnert jedoch daran, dass zahlreiche Personen, Mut mit einem Risiko für den Körper verbinden. Laut des Bushido-Codes ist das jedoch keineswegs die einzige Möglichkeit, seinen Mut unter Beweis zu stellen, weil es noch den nicht-körperlichen Mut gibt. Der Bushido-Code weist darauf hin, dass Mut über die Zukunft des eigenen Lebens entscheidet. Denn aufgrund des Drucks, welches das Umfeld auf Menschen ausübt, schwimmt die Mehrheit mit dem Strom und verlässt zeitlebens nicht die eigene Komfortzone.
Im Bushido lernt man, dass sich Mut trainieren lässt, denn Menschen werden nicht mit und nicht ohne Mut geboren. Durch ein regelmässiges Training im Jiu Jitsu oder in der der Selbstverteidigung ist es möglich, Mut zu entwickeln und die Entscheidung zu treffen: Ich will mutig sein. Es bedeutet auch nicht, dass man keine Angst oder Aufregung verspürt, sondern, dass man vorwärts geht und das jeweilige Vorhaben dennoch verwirklicht.
Rücksichtslose Handlungen, welche der Gemeinschaft schaden, fallen jedoch nicht in die Kategorie Mut. Denn sie müssen den moralischen Ansprüchen Rechnung tragen. Allerdings kann niemand mutig sein, wenn seine Handlungen nicht von Rechtschaffenheit begleitet werden. Mut bedeutet auch, das Richtige zu tun. Der Geist der Nächstenliebe verlangt, denjenigen zu helfen, die in Not sind. Dafür ist nicht zwingend die Ausübung einer Religion erforderlich. Sie kann jedoch bei der Umsetzung der Nächstenliebe helfen. Rechtschaffenheit dient dabei als wichtige Grundlage.
Rechtschaffenheit bedeutet nicht nur, mutig das Richtige zu tun, sondern es auch dann zu tun, wenn niemand zuschaut. Zahlreiche Menschen agieren allerdings genau andersherum, weil sie egoistisch sind. Deshalb dient ein wichtiges Zitat als Motivation zum Umdenken:
Wenn der selbstsüchtige Mensch die Gründe für Selbstlosigkeit kennen würde, wäre er aus selbstsüchtigen Gründen selbstlos.
Eine grosse Mehrheit trifft zwar Entscheidungen, die sie für richtig hält, obwohl die handelnden Personen genau wissen, dass die Entscheidungen nicht richtig sind. Rechtschaffenheit kann dabei als wichtiger Wegweiser dienen. Wobei es sich bei Rechtschaffenheit um eine subjektive Art von Tugend handelt. Unmittelbar mit Rechtschaffenheit hängt auch die Tugend namens Freundlichkeit zusammen.
Was genau verlangt Freundlichkeit? Nun, im Brazilian Jiu Jitsu begegnen Kampfkünstler ihren Mitmenschen mit Respekt und Wohlwollen. Sie fällen keine Urteile über die Personen, weil sie wissen, dass jeder in seinem Inneren einen Kampf ausführt. Höflichkeit erleichtert als wichtiger Bestandteil des Bushido-Codes ein friedliches Miteinander. Sie ist zudem eng verwoben mit Respekt.
Respekt beginnt jedoch mit Respekt gegenüber sich selbst, ehe er sich auf Respekt gegenüber den Mitmenschen übertragen lässt. Im Jiu Jitsu und im Brazilian Jiu Jitsu sowie in anderweitigen Kampfkünsten dominiert der japanische Gruss Rei. Dieser Begriff repräsentiert Höflichkeit, Respekt und gute Manieren.
Höflichkeit verlangt als Teil des Bushido-Codes, dass wir uns um die Gefühle unserer Mitmenschen kümmern. Auch wenn ein bekanntes Zitat besagt, dass es nicht notwendig ist, sich um die Gedanken der Anderen zu sorgen. Das trifft allerdings nur dann zu, wenn eine Tat von Rechtschaffenheit begleitet ist. Dennoch ist es wichtig, die Gefühle der Mitmenschen nicht zu verletzen. Schliesslich ist es möglich, alles mit Respekt und Ehrlichkeit zu sagen, ohne die Gefühle des anderen zu verletzen.
Im Jiu Jitsu und im Brazilian Jiu Jitsu spielt Ehrlichkeit eine wichtige Rolle. Allerdings geht es dabei nicht nur um die Ehrlichkeit gegenüber den Mitmenschen, sondern auch um die Ehrlichkeit gegenüber sich selbst. Darüber hinaus verlangt diese Art von Ehrlichkeit, dass wir uns fragen, ob etwas richtig ist, weil wir es glauben oder weil die Umstände es von uns verlangen. Ehrlichkeit will, dass wir wissen, dass wir nicht immer recht haben können, aber Rechtschaffenheit will, dass wir immer das Richtige tun. Wir sind unvollkommen, aber wir können versuchen, recht zu haben und das Richtige zu tun.
Ehrlichkeit hängt laut Hélio Gracie eng mit der Rechtschaffenheit zusammen. Alles, was wir tun, sollte von Herzen kommen. Andernfalls handelt es sich lediglich um eine Farce.
Ehre ist ein Sinn für die Ziele, die wir haben. Diese Tugend ist ein wichtiges Prinzip der Samurai und verleiht den Menschen ein hohes Selbstwertgefühl.
Auch Loyalität ist wichtig und hängt unmittelbar mit Rechtschaffenheit zusammen. Es gibt keine Loyalität ohne Rechtschaffenheit. In der Kampfkunst fungiert Loyalität als eine höhere Form des Respekts. Allerdings besteht das Ziel darin, sich für die Loyalität zu opfern. Sie ist mit der Nächstenliebe eng verwoben. Denn niemand sollte loyal sein, weil er eine Gegenleistung erwartet.
Es gibt zwei Arten von Loyalität: unechte Loyalität und echte Loyalität. Loyalität, die auf Angst beruht, ist falsch. Sie hält dem Test der Zeit nicht stand. Denn Menschen werden einen Verrat begehen. Wahre Loyalität basiert wiederum auf Dankbarkeit. Da gibt es beispielsweise die Loyalität gegenüber den Eltern, weil sie uns das Leben geschenkt haben. Ohne Dankbarkeit gibt es keine Loyalität.
Dank seiner Vielfältigkeit ermöglicht der Bushido-Code aus dem Gracie Jiu Jitsu ein rücksichts- und respektvolles Miteinander in der Gesellschaft – zumindest für diejenigen, die diesen anwenden.